Warum Lobbyismus theoretisch etwas Gutes ist – und was sich praktisch ändern muss

"Mehr Demokratie wagen" - so lautet das berühmt gewordene Motto der Kanzlerschaft von Willy Brandt. Warum "Mehr Lobbyismus wagen" für uns nicht im Widerspruch dazu steht. Sondern im Gegenteil unsere Demokratie verbessert.

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Eva Schneider

Kampagnen-Managerin

Veröffentlicht am

Denkt ihr auch, dass Lobbyismus etwas Schlechtes ist? Wenn ja, dann steht ihr damit nicht allein. Viele, wenn nicht sogar die meisten Menschen in Deutschland sind der Ansicht, dass Lobbyismus unserer Demokratie schadet. Mit dem Begriff ‚Lobbyismus’ assoziieren sie große Konzerne, die ihre politischen Interessen mit unlauteren Mitteln versuchen durchzusetzen. Konzerne, die sich die Gunst der Politiker erkaufen mit glänzenden Dinnerpartys, kostspieligen Reisen, Geschenken sowie großzügigen Spenden. Und das alles hinter verschlossener Tür. Sie denken – plakativ ausgedrückt – an Konzerne mit skrupellosen Lobbyisten und korrumpierbare Politiker. Manche dieser zwielichtigen Methoden mögen zum Teil tatsächlich praktiziert werden. Und ja, wir finden auch, so sollten in einer Demokratie definitiv keine Entscheidungen getroffen werden!

Ein großer Jammer ist, dass der Lobbyismus durch Praktiken dieser Art insgesamt in Verruf gerät. Denn, wie wir euch gleich zeigen möchten, ist Lobbyismus dem Grundgedanken nach überhaupt nichts Schlechtes. Ganz im Gegenteil. Lobbyismus ist gut und gehört wesentlich zu einer funktionierenden Demokratie dazu. Dabei kommt es allerdings darauf an, wie er praktiziert wird.

Definition des Lobbyismus

Vielleicht stellen sich einige von euch die Frage, was Lobbyismus ist. Das wissen viele nämlich gar nicht so genau. Die Antwort ist eigentlich ganz einfach.

Auf einen Satz gebracht ist Lobbyismus politische Interessenvertretung. Was heißt das genau?

In der Politik werden zum Beispiel – in manchmal kürzeren, manchmal längeren Prozessen – Gesetze erlassen. Von diesen Gesetzen sind verschiedene Gruppen aus Gesellschaft und Wirtschaft betroffen. Wie etwa Wirtschaftsunternehmen, Industrieverbände, Gewerkschaften, Sozialverbände, Kirchen, Vereine oder Gruppen einzelner Bürger. Die Tätigkeit eines Lobbyisten ist dabei die folgende: Er trägt die Interessen derjenigen Gruppe, die er vertritt, im Gesetzesprozess an die relevanten Entscheidungsträger in der Politik heran. Dabei versucht er, die Entscheidungsträger mit Argumenten davon zu überzeugen, dass es wichtig ist, diese Interessen in der Gesetzgebung zu berücksichtigen.

Der Theorie nach ist Lobbyismus etwas Gutes

Inwiefern ist Lobbyismus aber jetzt etwas Gutes?

Wie ihr euch vorstellen könnt, haben die verschiedenen Gruppen, die von einem Gesetz betroffen sind, das Bedürfnis, ihre Interessen, Gedanken und Sorgen zu einem geplanten Gesetz zu artikulieren. Sie möchten, dass ihre Interessen von den Politikern gehört und in der Ausgestaltung des Gesetzes berücksichtigen werden. Dieses Anliegen ist ihr gutes Recht. Schließlich sind sie es, die von dem Gesetz betroffen sind.

Und auch andersherum haben die Politiker, die vor der Frage stehen, wie ein Gesetz ausgestaltet werden soll, ein Interesse daran, die unterschiedlichen Ansichten darüber zu erfahren. Denn sie haben es dabei mit komplexen Sachverhalten zu tun. Um die zur Entscheidung stehenden Fragen auf Grundlage möglichst vieler Informationen zu beantworten, sind sie auf das Fachwissen von Experten und die Informationen von Betroffenen angewiesen. Weil das so ist, sieht der Gesetzgebungsprozess sogar fest vor, die Betroffenen bzw. ihre Lobbyisten anzuhören - das Stichwort hier heißt Verbändeanhörung und findet sich in § 47 der „Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien“.

Ihr seht, die Vertretung von Interessen ist nicht nur ein legitimer, sondern auch ein unverzichtbarer Bestandteil einer Demokratie. Es fragt sich dann natürlich, warum der Lobbyismus so einen schlechten Ruf hat.

In der Praxis hat der Lobbyismus ein Problem

Um es auf den Punkt zu bringen: Das Problem mit dem Lobbyismus ist das Ungleichgewicht in der Interessenvertretung. Die verschiedenen Gruppen haben ungleiche Mittel, sich bei den Politikern Gehör zu verschaffen.

Die großen, finanzstarken Konzerne und Wirtschaftsverbände geben jährlich Millionen für Lobby-Tätigkeiten aus. Sie verfügen über große, bestens organisierte Lobby-Abteilungen; haben das nötige Geld, um sich Repräsentanzen in der Nähe der Entscheidungsträger zu leisten; können teure Veranstaltungen geben, zu denen sie die Wichtigen und Mächtigen einladen etc.

Es liegt auf der Hand: Die finanzstarken Unternehmen haben größere Möglichkeiten, sich Zugang zu den Entscheidungsträgern in der Politik zu verschaffen, als kleinere, finanzschwache Unternehmen und Organisationen. Letztere müssen versuchen, ihre Anliegen an die Entscheidungsträger heranzutragen, ohne über diese Mittel zu verfügen.

Und es gibt ein weiteres Problem: die Intransparenz. In Deutschland sind die Lobbyismus betreibenden Akteure nicht dazu verpflichtet, ihre Aktivitäten und ihr Budget offenzulegen. Sie unterliegen keiner Kontrolle. So weiß keiner so richtig, wie sie vorgehen. Daher der Verdacht vieler Menschen, hier passiere etwas Unkoscheres, etwas, das im Verborgenen stattfinde, und daher auch der Ausdruck des „Hinterzimmer-Lobbyismus“.

Das sind die Gründe, weshalb der Begriff des ‘Lobbyismus’ in der Gesellschaft überwiegend negativ besetzt ist. Und weil Lobbyisten das natürlich wissen, nimmt es nicht wunder, dass sie ihre Abteilungen lieber mit Begriffen wie „Public Affairs“ oder „Government Relations“ umschreiben und sich selbst lieber ‚Kommunikationsberater’ als ‘Lobbyisten’ nennen.

Maßnahmen, um die Theorie in die Praxis umzusetzen

Wir haben versucht zu zeigen, dass das Problem nicht der Lobbyismus selbst ist, sondern die derzeitigen Strukturen und Methoden. Also nicht die Theorie, sondern die gegenwärtige Praxis.

Es gibt bereits einige Bemühungen gegen das Transparenzproblem. Organisationen wie Transparency International oder LobbyControl zum Beispiel setzen sich verstärkt für Transparenzpflichten für Lobbyisten ein - interessanterweise inzwischen sogar im Schulterschluss mit Wirtschaftsakteuren wie dem Verband der Chemischen Industrie oder der Deutschen Gesellschaft für Politikberatung, der Interessenvertretung der Lobbyisten. Auch wir sind der Überzeugung, dass die Mindestforderung Transparenz sein sollte. Diese Forderung wäre durch die Einführung eines verbindlichen Lobbyregisters erfüllt, wie es in der USA bereits existiert. Ein solches Register würde alle Interessenvertretungen in Deutschland erfassen sowie die Höhe ihrer für Lobby-Tätigkeiten zur Verfügung stehenden Finanzmittel. Es wäre für jeden Bürger jederzeit einsehbar.

Wir bei welobby haben es uns zur Mission gemacht, etwas gegen das Problem der ungleichen Beteiligungsmöglichkeiten zu unternehmen. Wir möchten Lobbyismus für Bürger und Organisationen betreiben, die sich keine Lobbyisten leisten können, so dass auch ihre Interessen in die politische Entscheidungsfindung Eingang finden. Das Ziel sollte, wie wir finden, eine Ausgewogenheit politischer Entscheidungen sein. Und wir wollen einen Lobbyismus betreiben, der für die Öffentlichkeit nachvollziehbar, also transparent ist, und bei dem gute Argumente die Hauptrolle spielen.

Wenn ihr wollt, dass eine solche Art des Lobbyismus Realität wird, unterstützt uns jetzt!