Mehr Schutz für Schutzbedürftige – welobby wird aktiv

Seit dieser Woche lobbyieren wir. Wir vertreten den Verein PROWO e.V. bei dem wichtigen Anliegen, die Rechtsstellung von Menschen im Betreuten Wohnen zu verbessern.

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Lukas Hofmann

Kommunikation

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Wir wollen uns hierzu in die Beratungen zum Mietrechtsanpassungsgesetz (Bundestags-Drucksache 19/4672) einmischen und haben am Freitag, den 2. November, erste Briefe an Abgeordnete der SPD und der Union versandt.

Worum geht es?
Es geht um das sogenannte Betreute Wohnen. Um Menschen mit psychischen Erkrankungen oder Suchtproblemen, um Frauen mit Gewalterfahrungen oder Jugendliche mit Verhaltensauffälligkeiten. Um Menschen, die schlecht alleine leben und wohnen können und die Hilfe brauchen, um wieder in die Gesellschaft zurückzufinden. Es geht um etwa 10.000 Menschen in Berlin und insgesamt etwa 100.000 Menschen in Deutschland. Menschen mit besonderen Schwierigkeiten im Leben, die eigentlich besonderen Schutz brauchen. Und die durch eine Gesetzeslücke beim Thema Wohnen rechtlich besonders schlecht geschützt sind.

Konkret geht es um folgende Gesetzeslücke: Soziale Organisationen wie PROWO mieten als Hauptmieter Wohnungen auf dem Wohnungsmarkt an und vermieten diese an ihre betreuten Personen als Untermieter weiter. In der Regel gilt dabei für die Hauptverträge zwischen Vermieter und Sozialträger nicht das sogenannte Wohnraummietrecht, das in Deutschland gilt, wenn Menschen eine Wohnung anmieten, um darin zu wohnen. Es gilt das Gewerbemietrecht – wie bei Handyläden, Backshops oder Klamottengeschäften. Und damit ein fast nicht vorhandener Schutz vor Mieterhöhungen und Kündigungen. In Berlin beginnt eine Klagewelle zu rollen – sobald die Mieten in einer Gegend steigen und professionelle Investoren Häuser übernehmen, sind die betreuten Menschen die gefährdetsten. Dabei brauchen sie eigentlich besonderen Schutz. Denn betreute Menschen brauchen eine feste Wohnung in einer vertrauten Umgebung für ihren Therapieerfolg, und sie haben es auf dem normalen Mietmarkt besonders schwer. Der angespannte Mietmarkt und der mangelnde rechtliche Schutz bedroht diese Menschen akut.

Was ist die Lösung?
Wir wollen erreichen, dass Menschen im Betreuten Wohnen rechtlich genauso gut geschützt sind wie alle anderen Menschen, die in Mietwohnungen leben. So könnte beispielsweise der Paragraf 565 BGB, der Untermieter im Falle der Kündigung des gewerblichen Untervermieters schützt, auch Anwendung finden auf untervermieteten Wohnraum von anerkannten Sozialträgern. Der Paragraf könnte hierzu um einen entsprechenden Passus ergänzt werden.

Was macht welobby?
welobby vertritt nun das Anliegen von PROWO der Politik gegenüber. Nachdem uns in den vergangenen Wochen Vertreter von Union und SPD signalisiert hatten, dass beide Fraktionen dem Thema gegenüber aufgeschlossen wären, haben wir am Freitag erste Briefe an die entscheidenden Personen der Regierungsfraktionen von Union und SPD versandt, genauer an die Bundestagsabgeordneten Eva Högl, Michael Groß, Jan-Marco Luczak und Elisabeth Winkelmeier-Becker (Wortlaut siehe unten). Sie sitzen im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz – dem Ausschuss, der gerade im Bundestag „federführend“ über die aktuelle Mietrechtsreform berät. Wir wollen nun so schnell wie möglich Gespräche mit den Abgeordneten und ihren Mitarbeitern führen, um von unserem Anliegen zu überzeugen und unsere Lösungsvorschläge zu diskutieren. Dafür haben wir nicht mehr viel Zeit: Das neue Gesetz soll zum 1. Januar 2019 in Kraft treten, in den nächsten vier Wochen muss es also beschlossen werden. Wir halten euch auf dem Laufenden!

Was kannst du tun?
Teile unser Anliegen in deinem Bekanntenkreis und über die sozialen Medien. Je mehr Leute davon erfahren, desto größer die Chance, dass wir Erfolg haben. Und: Je mehr Leute erfahren, dass es welobby gibt, desto mehr Menschen können wir auch mit anderen Anliegen helfen. Falls du welobby mit einer Spende unterstützen willst, geht das mit wenigen Klicks hier.

Weiterführende Infos:
Bundestags-Drucksache 19/4672: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/046/1904672.pdf
PROWO e.V.: http://www.prowoberlin.de/angebote.html


Wortlaut des Briefes, den wir am 2. November an die Bundestagsabgeordneten Eva Högl, Michael Groß, Jan-Marco Luczak und Elisabeth Winkelmeier-Becker versandt haben:

Mehr Schutz für Schutzbedürftige – Rechtsstellung von betreuten Menschen verbessern

Sehr geehrte/r Frau/Herr Abgeordnete/r,

im Rahmen der im November 2018 anstehenden abschließenden Beratungen zum Mietrechtsanpassungsgesetz (BT-Drucksache 19/4672) wenden wir uns mit einem Anliegen an Sie, das politisch bislang nicht ausreichend Beachtung findet.

Wir vertreten die Interessen des PROWO e.V. Der Verein mit Sitz in Berlin betreut Menschen in schwierigen Lebenslagen („Betreutes Wohnen“). Wie die meisten anderen Sozialträger in Deutschland auch mietet PROWO zu diesem Zweck Wohungen an, in denen diese Menschen wohnen und betreut werden. Allerdings erschwert die gegenwärtige mietrechtliche Gesetzeslage erheblich die erfolgreiche Arbeit des Vereins, die den betreuten Menschen ein selbstbestimmtes und verantwortungsbewusstes Leben ermöglichen soll.

Bezahlbare Mieten und gutes Wohnen sind für viele Menschen in Deutschland ein Thema, das sie bewegt und vor große Herausforderungen stellt. Es gibt allerdings mit der Gruppe der „betreuten Menschen“ einen Mieterkreis, der einerseits besonders schutzbedürftig und andererseits recht- lich besonders schlecht geschützt ist. Denn während Mieter in Deutschland üblicherweise den Schutzbestimmungen des Wohnraummietrechts der §§ 549 ff. BGB unterliegen, trifft dies für die Gruppe der betreuten Menschen regelmä- ßig nicht zu. Für sie gilt nach aktueller Rechtslage bloß das Gewerbemietrecht mit seinen deutlich geringeren Schutzstandards – mit all seinen für den Mieter nachteiligen Konsequenzen.

Dies hat folgenden rechtlichen Hintergrund:

Sozialträger schließen in der Regel mit Vermietern Mietverträge über Wohnraum ab, die sie in einem Untermietverhältnis an ihre betreuten Menschen weitervermieten. Da der Sozialträger als juristische Person selbst nicht „wohnen“ kann, werden diese Verträge von den Gerichten formaljuristisch inzwischen immer häufiger dem Gewerbemietrecht zugeordnet – ungeachtet der üblichen Verwendung von Wohnraum-Mietvertragsmustern, von deren Gültigkeit die Sozialträger und auch die Vermieter bei Vertragsschluss ursprünglich in der Regel ausgingen. Und ungeachtet der Tatsache, dass Menschen die Räumlichkeiten bewohnen und der Verein sie nicht etwa als Bürofläche nutzt.

Der vom Sozialträger mit dem betreuten Menschen abgeschlossene Untermietvertrag ist in seinem Bestand abhängig vom Vertragsverhältnis zwischen Vermieter und Sozialträger. Wird aufgrund des geringeren Schutzniveaus des Gewerbemietrechts wegen in der Regel höherer möglicher Renditen durch Neuvermietung dem Sozialträger gekündigt, müssen die die Wohnung nutzenden Mieter ausziehen.

§ 565 BGB, der Untermieter genau vor solchen Situationen schützen soll, kommt vorliegend regelmäßig nicht zur Anwendung. Denn die Regelung wird nur auf gewerbliche, nicht auch auf karitative Untervermieter angewendet. Den betroffenen Menschen fehlt es demzufolge vollständig an einem gesetzlichen Kündigungs- schutzrecht für ihre Wohnungen.

Es entbehrt nicht einer gewissen bitteren Ironie, dass der Sozialträger und seine Be- treuten rechtlich einerseits die Nachteile eines gewerblichen Mieters in Kauf neh- men müssen (keine Anwendbarkeit des sozialen Mietrechts gem. §§ 549 ff BGB), andererseits aber nicht die Vorteile eines gewerblichen Mieters genießen können (Schutz des Untermieters bei gewerblicher Untervermietung gem. § 565 BGB).

Dass besonders schutzbedürftige Menschen mietrechtlich besonders schlecht geschützt sind, sollte politisch nicht länger hingenommen werden. Die Wohnung ist zentraler Lebensmittelpunkt des Menschen. Sie unfreiwillig aufgeben zu müssen ist für die meisten Menschen nicht leicht. Für die Gruppe der betreuten Menschen ist dies aber regelmäßig mit besonderen Schwierigkeiten verbunden, da für ihren Therapieerfolg eine sog. sozialräumlich nahe Unterbringung in einer eigenen Wohnung wichtig ist und sie auf dem regulären Mietmarkt ohnehin schlechtere Chancen als andere haben. Es ist deshalb umso unverständlicher, dass gerade diese Gruppe mietrechtlich erheblich schlechtergestellt ist als der Rest der Bevölkerung.

Die Erfahrungen, die PROWO mit Kündigungs- und Räumungsklagen gemacht hat, sind im Übrigen kein Einzelfall. So hat etwa zuletzt im August 2018 das Kammergericht Berlin einer Kündigungs- und Räumungsklage gegen einen weiteren Berliner Sozialträger stattgegeben (Az. KG Berlin, 12 U 2/18). Es beginnt eine Klagewelle zu laufen, insbesondere von solchen Investoren, die Objekte neu und in größerem Umfang erworben haben. Aus Kreisen der Anwaltschaft ist zu hören, dass solche Wohnungen vermehrt unter Berufung auf die gewerbemietrechtlichen Möglichkeiten „entmietet“ werden sollen. Um die Dimensionen zu verdeutlichen: Allein die Mitglieder des Paritätischen Wohlfahrtsverbands e.V. haben in Berlin etwa 2.500 Wohnungen für das betreute Wohnen angemietet. Nach Schätzungen der Fachver- bände leben in Deutschland insgesamt etwa 100.000 Menschen in solchen betreuten Wohnformen.

Abschließend sei darauf verwiesen, dass eine mietrechtliche Gleichstellung von betreuten und nicht-betreuten Mietern auch nicht die Chancen von Sozialträgern am Mietmarkt verringert. Dies mag für Fälle zutreffen, in denen Sozialträger etwa Kitas oder Werkstätten für behinderte Menschen betreiben. Hier konkurriert der Sozialträger mit anderen Anbietern der gewerblichen Wirtschaft um die Räumlichkeiten, und die Anwendbarkeit des sozialen Mietrechts könnte die Sozialträger vermieterseitig unattraktiver im Vergleich zu den konkurrierenden gewerblichen Miet-Kon- kurrenten erscheinen lassen. Im vorliegenden Fall des Betreuten Wohnens geht es aber regelmäßig um Wohnraum, der gerade Wohnzwecken dienen soll. Hier konkurriert ein Sozialträger, bzw. die von ihm betreuten Menschen, nicht mit Gewerbe- mietern sondern mit solchen Mietern, für die ohnehin das soziale Mietrecht gilt. Insofern würde die Gruppe der betreuten Menschen auch keine „Besserstellung“ im Vergleich mit anderen Wohnungs-Mietern erfahren, die ihre Chancen auf dem Mietmarkt deshalb schmälern könnte – sie würden nur das gleiche Recht erhalten, dass auch allen anderen Menschen als Mietern zusteht.

Ohne der parlamentarischen Freiheit der Gesetzesformulierung vorgreifen zu wollen, ließe sich nach unser Ansicht die Problematik gesetzgeberisch mit wenigen, gezielten Verbesserungen lösen. So wäre etwa denkbar, dem § 565 BGB einen Absatz hinzuzufügen, der bestimmt, dass die „Regelung des § 565 Abs. 1 BGB auch für solche Fälle [gilt], in denen ein anerkannter Träger der Wohlfahrtspflege den gemieteten Wohnraum einem Dritten zur Erbringung von Betreuungsleistungen zu Wohnzwecken weitervermietet“.

Wir würden uns sehr freuen, Ihnen die Angelegenheit in einem persönlichen Gespräch darzustellen – gerne auch gemeinsam mit einem Vertreter des PROWO – und Lösungsvorschläge aufzuzeigen. Wir werden daher in den nächsten Tagen mit einigen hoffentlich passenden Terminvorschlägen an Ihr Büro herantreten.

Mit freundlichen Grüßen
Jan Christian Sahl
Rechtsanwalt